Tegel zum Schmunzeln

Die Namen der Humboldt-Brüder, aber auch der Schießplatz waren im 19.Jahrhundert wohl Synonyme für das damals noch im Kreis Niederbarnim gelegene Dorf Tegel. Als ab 1848 die Zeitschrift Kladderadatsch herausgegeben wurde, griff diese auf humorvoll-satirische Weise gern mit unterschiedlichen Beiträgen das Thema Tegeler Schießplatz einschließlich des dort tätigen Militärs auf. Passagen aus diesen Blättern wie auch aus anderen Quellen mögen – in chronologischer Reihenfolge und in damaliger Schreibweise zusammengestellt – auch heute noch zu einem Schmunzeln über ein Tegel vergangener Zeiten anregen.

 

Der Sorglose

Lieblich ist´s , an Maientagen
Sich im Frei´n (es geht so selten!)
zu erquicken mit Behagen,
Ohne stark sich zu erkälten.
Heute, glaub´ ich, kann man´s wagen!
Auf! Hinaus mit Kind und Kegel!
Auf! Nach Treptow, Pankow, Tegel!
Laßt den Preußenadler ruhn –
Spargel gibt’s mit jungem Huhn! –
Andre Zeiten, andre Vögel!

(Mai 1867)

 

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Von der enormen Kostspieligkeit der neuen Wurfgeschosse kann man sich in ungebildeten Kreisen noch immer keinen rechten Begriff machen. Nach zuverlässigen Berechnungen reicht ein Schuss in Tegel hin, um Professor Kiepert[1] die erbetene Unterstützung zu einer Reise nach Egypten und Palästina gewähren zu können, wenn er nämlich nicht getan wird – der Schuss in Tegel.                                                                                                      (Nov. 1869)

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Schultze und Müller unterhalten sich über das Tegeler Wasserwerk.[2]

Schultze.       Ach Jotte doch! Ach Jotte doch! Es is schrecklich!

Müller.            Was jammerst du denn so, Schultze?

Schultze.       Nee, es ist zu doll! Zwanzig Millionen haben die
Brunnenanlagen in Tegel vor die Berliner Wasserleitung
gekostet, und nu soll des Wasser nischt toogen, und des janze Jeld – –

Müller.            Is ins Wasser jeworfen und in´n Brunnen jefallen?

Schultze.       Leider! So is es!

Müller.            Ja, was werden nu die Väter der Stadt alleweile machen?

Schultze.       Wer weeß? Ich denke mir, sie werden´s nu wol auf´s neue mit Pumpen versuchen.

Müller.            Ich jloobe ooch!

(Juni 1879)

 

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Rechenaufgabe für Artilleristen

Wenn bei einer Heeresstärke von 401368 Mann ein 16 Centner schweres Geschütz in Tegel gestohlen werden konnte: wie schwer muß ein Geschütz sein, um bei einer Vermehrung der Armee um 26000 Mann ausgeführt zu werden?

(Febr. 1880)

 

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Wir können Ihnen nur rathen, daß Sie ihre liebe Frau langsam an das Schießen zu gewöhnen suchen, indem sie in Etappen immer näher an den Artillerie-Übungsplatz in Tegel ziehen.

Für´s Erste hat es indessen keine Noth, denn Krieg führen ist theuer und die Herren da unten scheinen nicht in so glücklicher Lage, wie Sie, „daß sie es dazu haben!“

Die Redaction.

(Okt. 1885)

 

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Tegel. Hier fanden spielende Kinder kürzlich einen unheimlich aussehenden Gegenstand, der von den zu Rathe gezogenen Ortsbewohnern allgemein für eine fehlgegangene Granate angesehen wurde. Niemand wagte denselben zu berühren, endlich erkannten telegraphisch herbeigerufene Militärpersonen in demselben – eine blecherne Kuchenform, welche jedenfalls eine landpartiende Dame aus ihrer Tournüre verloren hat.

(Juli 1886)

 

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 Die Schutzmanns-Patrouille.

Berliner Schutzmann 1896

Wie ragt so hoch und stattlich
Das Brandenburger Thor!
Draus reitet ernst und würdig
Die Doppel-Patrouille hervor.

Vom Helm bis zu den Hufen
Kein Makel an Mann und Roß!
Scharf mustern beide Reiter
Der Promenirenden Troß.

Sie reiten in strammer Haltung
Die Siegessäule hinab;
Sie wenden die Rosse und kehren
Zurück in scharfem Trab.

Und wenn sie ihre Strecke
Mit Sorgfalt revidirt,
So reiten sie heim zur Wache
Und melden, daß nichts passirt.

Beraubt von Strolchen werden
Im selben Augenblick
Zwei Sommergäste bei Tegel
Und drei bei Köpenick.

(Febr. 1892)

 

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Nach der „Tegeler Zeitung“ bewohnt im Hause Schlieperstraße Nr. .. der Arbeiter Gustav S. mit der unverehelichten Caroline K. eine und dieselbe Stube. Am 5. Sept. hat nun der Amtsvorsteher Weigert an die beiden ein Schreiben erlassen, in dem es heißt: „Ferner wird Ihnen hiermit das Aufliegen bei einander sowie das Zusammenwohnen in demselben Hause verboten.“ Der Ukas ist wirkungslos geblieben, wahrscheinlich weil die Adressaten nicht gewußt haben, was mit dem „Aufliegen bei einander“ gemeint ist. Sie haben deshalb ein Strafmandat über 30 M. event. 3 Tage Haft erhalten, und zugleich erklärt ihnen der Herr Amtsvorsteher: „Gleichzeitig verbiete ich hiermit nochmals das Zusammenwohnen und Aufliegen bei einander.“ Hoffentlich hat diese zweite Ermahnung den gewünschten Erfolg.

(Sept. 1904)

 

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In den „Wittenauer Nachrichten“ (Amtliches Publikationsorgan für den Amts- und Gemeindebezirk Berlin-Wittenau) lesen wir eine Bekanntmachung des Amtsvorstehers Stritte, Berlin-Tegel; sie beginnt mit folgenden Worten: „Fundsachen. Im Fundbüro sind als zugelaufen gemeldet: 1 Rehpintscher, 1 brauner Box-Hund, 1 Ziege, 1 Handtasche, 1 Maulkorb.“ Unglaublich, was in Berlin-Tegel so alles zuläuft. Oder hat die Ziege den Maulkorb und der Rehpintscher die Handtasche mitgeführt?

(Sept. 1918)

 

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Der Vorort Tegel liegt an einem See. Der See hat notgedrungen ein Ufer. Für dieses Ufer glaubte man in Tegel ein Denkmal benötigen zu müssen und bestellte bei einem Bildhauer  eine Skulptur. Der Bildhauer dachte, ein „Seemärchen“ wäre ganz schön, aber er verstand unter Seemärchen ein riesiges dickes fettes Ungeheuer, das seinen schweren Leib auf den unbekleideten Körper einer Frau gelegt hat und diese gleichsam auszupressen scheint. Als die Tegeler dieses Ding an ihrem Ufer sahen, erhoben sie großes Geschrei und verlangten Beseitigung dieser Geschmacklosigkeit. Schließlich sei Tegel kein See-Märchen, sondern liege an einem Märchen-See. Daraufhin entschloß sich der Magistrat, den Bronzeklumpen abzumontieren und an einer „günstigeren“ Stelle aufbauen zu lassen. Wie man hört, will man auch den Namen ändern. Ich schlage für das fette Biest statt „Seemärchen“ „Drückende Schwüle“ vor.

(Juli 1927)

 

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Wenn ertönt der Schranken Bimmel,
Auto-, Rad- und Menschgewimmel
Hier in Tegel immer noch:
Drum legt bald die Strecke hoch.

(Dez. 1936)

 

Gerhard Völzmann

 


[1]H. Kiepert, Dr. phil., Professor, ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Lindenstraße 13

[2]Das Städt. Wasserwerk in der Bernauer Straße hatte anfangs Algenprobleme bei der Aufbereitung des Grundwassers