Auf dem großen Grundstück Seidelstraße 33 bis 44 Ecke Bernauer Straße befinden sich die Gebäude der „Justizvollzugsanstalt Tegel“. In den 1890er Jahren hatte die preußische Verwaltung geplant, das veraltete Berliner Gefängnis „Stadtvogtei“ zu schließen und die nicht mehr ausreichenden Gefängnisse in Moabit (Zellengefängnis) und Plötzensee durch ein weiteres zu ergänzen. Eine Kommission unter Leitung des preußischen Ministeriums der öff entlichen Arbeiten entwarf Baupläne für das neue Gefängnis nach dem pennsylvanischen System, also für eine Einrichtung mit leicht überwachbaren Einzelzellen, und bestimmte zum Bauplatz ein Forstgelände im Jagen 56 der Jungfernheide an der Seidelstraße. Dieses Gelände wurde 1899 in den Gemeindebezirk Tegel eingemeindet. Die 1896 begonnenen Bauarbeiten wurden von dem königlichen Regierungsbaumeister Förster geleitet. Am 01.10.1898 wurde die „Königlich Preußische Strafanstalt Tegel“ eröffnet.
Hinter der Hofeinfahrt „Seidelstraße 39“ was das Torgebäude erbaut worden, dahinter der Verwaltungsbau mit Kirchensaal im dritten Obergeschoss, überragt von zwei Kirchentürmen (mit Wasserbehältern zur Versorgung der Anstalt) als Mittelpunkt der Anlage. Der von evangelischen und katholischen Gefangenen genutzte Kirchensaal wurde mit 408 Einzelsitzen ausgestattet, die durch hohe Trennwände voneinander geschieden waren, um Kontaktaufnahmen unter den Gefangenen zu verhindern.
An den Verwaltungsbau schloss sich rückseitig das Verwahrhaus II mit 486 Zellen für Gefangene mit langen Gefängnisstrafen an. In dem links daneben gelegenen Verwahrhaus I befanden sich 506 Zellen für Gefangene mit kurzen Strafen und im rechts gelegenen Verwahrhaus III 498 Zellen für Gefangene mit mittellangen Strafen. Rechts vom Verwaltungsbau gab es noch ein Gebäude für Gemeinschaftshaft.
Weiter waren errichtet worden Gebäude für die Krankenabteilung, die Bäckerei, Kochküche sowie Werkstätten für die Beschäftigung der arbeitspfl ichtigen Gefangenen mit Arbeitsräumen für Schlosser, Schmiede, Klempner, Tischler und Drucker/Setzer. Gearbeitet wurde für den laufenden Bedarf des Gefängnisses sowie für preußische und Reichsbehörden. Die meisten Gefangenen aber wurden in ihren Zellen beschäftigt, z.B. mit Herstellen von Briefumschlägen, Kartonagen, Matten. Der Gefängnisbereich wurde von einer 4 m hohen Mauer umschlossen. In diesen Bereich führte durch das Torgebäude ein von der Seidelstraße abzweigendes Straßenbahngleis für den Gefangenentransport.
Bis 1907 stellte man längs der Seidelstraße auch 12 Beamtenwohnhäuser, teilweise als Doppelhäuser, fertig. Hier zogen der Anstaltsdirektor, Inspektor, Arzt und die Aufseher mit ihren Familien ein. Die Baukosten für die Gefängnisanlage betrugen 2.881.421 Mark. Hinter dem Gefängnis gab es über 8 Hektar Ackerland mit Gewächshaus und Frühbeeten. Hier bauten Gefangene Gewächse für die Gefängnisküche an.
Die Belegungsstärke war für 1.650 Männer vorgesehen. Bekannte Gefangene waren der „Hauptmann von Köpenick“ Wilhelm Voigt (1906 – 08) und der Journalist Carl von Ossietzky (1932). Auch der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeff er (1943), der Jesuitenpater Alfred Delp (1944) sowie der katholische Dompropst Bernhard Lichtenberg (1942 – 43) waren im Verwahrhaus III inhaftiert. Sie befanden sich aber nicht im eigentlichen Strafgefängnis, sondern in dem 1940 von diesem abgetrennten Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis, in dem auch Untersuchungshäftlinge der Kriegsgerichte und des Volksgerichtshofs untergebracht wurden. Hier und im Strafgefängnis war von 1933 bis 1945 der Pfarrer Harald Poelchau als evangelischer Gefangenenseelsorger tätig.
Bei einem Luftangriff am 06.10.1944 wurde das Verwahrhaus II teilweise zerstört, wobei 24 Gefangene starben. Auch einige Beamtenwohnhäuser wurden zerstört. Nach 1945 nutzte die französische Militärregierung einige Jahre das Verwahrhaus I für die Unterbringung der vom Militärgericht verurteilten Deutschen.
1971 bis 75 wurden die wieder hergestellten Verwahrhäuser I bis III modernisiert. 1970 wurde ein in Richtung Flughafensee gelegener Neubau (Haus IV) für die Sozialtherapeutische Anstalt in Betrieb genommen. Hier wird die Persönlichkeitsentwicklung von Gefangenen zu Verringerung der Rückfallgefahr gefördert. 1982 und 1988 nahm man die in Richtung Siedlung Waldidyll gelegenen neuen Teilanstalten (Häuser) V und VI in Betrieb, und 1988 stellte man eine neue Technische Versorgungszentrale fertig.
Seit 01.04.1977 heißt die Strafanstalt „Justizvollzugsanstalt Tegel“. Sie ist durchschnittlich mit etwa 1.600 Gefangenen belegt. Arbeit in der Anstalt gibt es für 1.000 von ihnen mit 15 Werkstätten.
Ein Teil der Erzeugnisse – Obstkuchen, Holzspielzeug, Grillkamine, Lampen im Tiffany-Stil, Hemden, originelle Plastiken und anderes – wird im Verkaufsladen Seidelstraße 41 angeboten. Auch die gefängniseigene Gärtnerei verkauft Pflanzen und Gemüse an die Öffentlichkeit. Seit 1968 geben Gefangene die Gefängniszeitung „Der Lichtblick“ heraus.