Das einstige Gaswerk der Gemeinde Tegel (nicht mit dem Werk Tegel der Berliner Städtischen Gaswerke AG zu verwechseln) befand sich in der Gaswerkstraße 4 bis 5 (heutige Ernststraße).
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Tegeler Straßenbeleuchtung bis zum Jahre 1896. Dem Niederbarnimer Kreisblatt v. 20.09.1876 war zu entnehmen, dass in Tegel „vor Kurzem“ eine Straßenbeleuchtung eingerichtet wurde. Es war eine Petroleumbeleuchtung. Die Laternenmaste waren aus Holz. Die Zahl der Laternen wurde vom Herbst 1889 bis Mitte Okt. 1890 um 25 Stück vermehrt. Zur Unterhaltung der Beleuchtung wurden in erster Linie die Einnahmen aus der Hundesteuer verwendet.
Am 3.3.1896 teilte der Tägliche Anzeiger für die Gemeinde Hermsdorf seinen Lesern Folgendes mit:
Tegel. Am letzten Montag tagte hier die Gemeinde-Vertretung und wurde beschlossen, dem Unternehmer Karl Franke aus Bremen die Konzession zur Erbauung und zum Betriebe eines Gaswerkes für Tegel zu ertheilen. Mit dem Bau, zu dem der polizeiliche Konsens nachgesucht ist, soll baldigst begonnen werden, sodaß das Gaswerk schon zum nächsten Winter in Betrieb gesetzt werden kann.
Am 14.04.1896 berichtete die Zeitung, dass die Gasanstalt bereits im Bau sei und zum 01.09. d. J. in Betrieb gesetzt werden soll. Der Bauplatz lag nordöstlich der Chaussee (Berliner Straße) dicht neben der neuen Borsigschen Fabrikanlage. Der Errichtung des Gaswerkes lag ein Vertrag zu Grunde, der am 13.03.1896 zwischen dem Bremer Carl Francke und dem Gemeinde-Vorstand Tegel abgeschlossen wurde. Der Kreis-Ausschuss des Kreises Niederbarnim hatte ihn am 12.03.1896 den Beschlüssen der Gemeinde-Vertretung Tegels v. 24.02. und 10.03.1896 entsprechend genehmigt. Es lohnt sich, den Vertrag einmal näher anzusehen.
Danach übernahm Francke die Herstellung und den Betrieb einer Steinkohlengasanstalt nebst Straßenrohrnetz mit Laternen auf eigene Rechnung. Öff entliche Gebäude und Privatwohnungen waren mit Gas zu versorgen. Gas-Zuleitungen mussten bis 3 m hinter der Baufluchtlinie hergestellt werden. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 25 Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der öff entlichen Beleuchtung. Der Unternehmer verpflichtete sich, bis zum 01.04.1897 die Anlage zu vollenden und die vorgesehenen Straßen und Plätze mit Gas zu beleuchten. Für das Rohrleitungssystem mussten eiserne Röhren verwendet werden. § 7 Abs. 2 des Vertrages lautete: Wenn infolge eines Straßenaufl aufes oder Tumultes Beschädigungen der öff entlichen Beleuchtungskörper vorkommen, soll die Gemeinde nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zum Ersatz der Wiederherstellungskosten verpflichtet sein.
Als durchschnittliche Brennzeit jeder öffentlichen Laterne wurden 1500 Brennstunden festgelegt. Mindestens 200 Straßenlaternen waren geplant. Weniger als 2 Brennstunden je Laterne und Tag durften nicht verlangt werden. Laternen brannten damals nicht etwa vom Eintritt der Dämmerung bis zum Morgengrauen. Vielmehr richtete sich die Brennzeit im Wesentlichen nach einem jährlich zu erlassenden Brennkalender. Hierin wurden die Brennstunden, die „mit Sicherheit“ bestimmbar waren, eingetragen. Der Gemeinde-Vertretung war es freigestellt, Änderungen vorzunehmen. So konnte durchaus auch eine regelmäßige Nachtbeleuchtung einer beschränkten Anzahl von Laternen bestimmt werden, die dann von 11 Uhr abends bis zum Tagwerden leuchteten. Sämtliche Laternen mussten vertraglich spätestens 30 Minuten nach der vereinbarten Zeit angezündet sein. Anderenfalls musste Unternehmer Francke eine Konventionalstrafe von 10 Pfennig pro Laterne zahlen. Ausnahmen galten nur bei mutwilliger Beschädigung, heftigem Sturm, Regen, Frost oder Schneetreiben, also bei Erschwernissen für den Laternenanzünder.
Zur Straßenbeleuchtung sollte nur Gasglühlicht von mindestens 30 Kerzen Stärke verwendet werden. Zudem sollte die Leuchtkraft des Gases bei 140 Liter Konsum im Argandbrenner pro Stunde gleich der Leuchtkraft von 14 Normalkerzen sein. Sollte der Unternehmer die Lichtstärke nicht erreichen, musste er ohne zusätzliche Vergütung die Gasmenge erhöhen. „Die bei der Fabrikation des Gases gewonnenen übelriechenden Produkte sind so aufzubewahren, dass sie der Umgebung weder schädlich noch lästig werden“, lautete § 15 a. a. O.
Natürlich war auch geregelt, welche Beträge Francke für seine Leistungen erhielt: 25 Mark waren für je 1000 Brennstunden einer Straßenlaterne zu zahlen. Ein Mehrverbrauch wurde entsprechend vergütet. 4 Pfennig pro Brennstunde und Flamme fi elen an, wenn einzelne Laternen außerhalb der üblichen Brennstunden betrieben wurden.
Für Privatpersonen sollte Leuchtgas nicht über 18 Pfennig je Kubikmeter kosten, für Motoren, Heiz- und Kochgas nicht über 12 Pfennig. Dem Unternehmen war eine Anpassung des Privatgaspreises um 2 Pfennig pro Kubikmeter zugestanden, wenn die Preise für „gute Gaskohlen“ den Normalsatz von 200 Mark pro 10.000 Kilo franko Gaswerk um ein Fünftel übersteigen sollten.
Carl Francke wurde vertraglich zugesichert, dass keinem anderen Unternehmen die Befugnis des Gasverkaufs erteilt werde. Dritte durften weder unter- noch oberirdisch Leitungen für Elektrizität legen und für eine Erleuchtung nutzen. Nach Ablauf des Vertrages war die Gemeinde Tegel befugt, diesen um jeweils 10 Jahre zu verlängern, musste dies aber 2 Jahre vorher kundtun. Im Falle einer Abstandnahme hiervon seitens der Gemeinde musste diese das Werk zur Hälfte des Tax- und Geschäftswertes kaufen. Die Kaution, die Francke zur Erfüllung seiner Verpfl ichtungen hinterlegen musste, betrug 10.000 Mark. Wohl mit Bedacht stand im Vertrag abschließend: Sollte zum Betriebe des Gaswerks eine Aktiengesellschaft gebildet werden, dann behält sich die Gemeinde Tegel das Recht der Teilnahme an der Verwaltung der Aktiengesellschaft vor; ihr sind zu diesem Zwecke mindestens zweitausend Mark Aktien zum Nominalwert zuzuweisen und ein Vertreter der Gemeinde Tegel muß dem Aufsichtsrat mit Sitz und Stimme angehören.“ Tatsächlich trat Francke bereits am 24.04.1896 seine Rechte und Pfl ichten aus dem Vertrag an die Aktiengesellschaft Gaswerk Tegel ab. Die Gasbereitungs- und Gasbewahranstalt wurde laut Verhandlung vom 13.11.1896 als errichtet und dem Betrieb übergeben festgestellt. Die Gasleitungsröhren waren gelegt, die Laternen aufgestellt. Die öff entliche Gasbeleuchtung in den Straßen Tegels begann jedoch tatsächlich am 10.11.1896.
Der Vertrag vom 13.03.1896 bekam Gültigkeit bis zum 13.11.1921. In der Verhandlung wurde auch festgestellt, dass die Zahl der Straßenlaternen noch zu mehren sei, zudem waren noch einige Leitungen erforderlich.
In der Folgezeit dehnte die Gaswerk Tegel AG ihre Gaslieferungen aus. So wurden Wittenau und Borsigwalde ab Oktober 1900, Waidmannslust ab Juli 1901, Hermsdorf ab August 1901 und Lübars ab Oktober 1905 mit Gas aus Tegel versorgt.
Ein für den Ort sehr gefährlicher Brand ereignete sich 1911 in den Betriebswerkstätten des Gaswerkes, bei dem zwei Arbeiter ihr Leben verloren. Im ganzen Werk wütete ein Feuer. Es bestand die Gefahr, dass die Gasbehälter explodierten. Ursache war, dass aus einem kleinen Hahn des Gasreinigers fortgesetzt Gas ausströmte und sich zu einer Stichfl amme entzündete. Der Reinigungsbehälter war bereits eingebeult. Drei mutige Feuerwehrleute, unter ihnen Brandinspektor Gläser, der damalige Leiter der Feuerwehr der Firma Borsig, kletterten über den Reiniger auf das Dach und kühlten dort, großer Hitze ausgesetzt, durch einen Wasserstrahl die angegriff ene Stelle des Behälter-Mantels. Sie konnten eine Explosion verhindern.
Nach der Eingemeindung Tegels zu Groß-Berlin (01.10.1920) wurden viele gemeindeeigene Versorgungsbetriebe stillgelegt, so auch die Gaswerk Tegel AG im Jahre 1921. Während der Gasbehälter abgerissen wurde, blieben das Wohnhaus (heute Ernststraße 3 a) sowie die Fabrikhalle erhalten.