Alt-Berliner Weihnachtsspiele
Es gibt sie noch, die Krippenspiele, die während der Gottesdienste am Heiligen Abend aufgeführt werden. Gerade Kindern wird hier die Weihnachtsgeschichte, die bekanntlich von der Geburt Jesu handelt, gut veranschaulicht. Vielleicht erinnern Sie sich ja noch an den Heiligen Abend des Vorjahres, als in der Kirche gleich der erste Gottesdienst mit einem Krippenspiel zum Mitmachen begann. Von den Krippenspielen unterscheiden sich übrigens Weihnachtsspiele dadurch, dass hier weitere biblische Szenen gezeigt werden. Weihnachtsspiele haben eine lange Tradition. So wurden geistliche Schauspiele bereits im Mittelalter zur Weihnachtszeit in ganz Deutschland veranstaltet. Doch im Laufe der Zeit arteten sie aus. Besonders für die Jugend wurden die Spiele Anlass und Vorwand für unnütze Streiche, die mit der kirchlichen Umgebung, in der sie dann stattfanden, im schlimmen Widerspruch standen. Auch in Berlin war das so. Als Folge wurde 1574 eine Verordnung erlassen, nach der der Rat der Stadt angewiesen wurde
die bösen Buben, so in der Christnacht in den Kirchen
alle Büberey verüben, durch die Stadt-Diener herausjagen
oder in die Thürme setzen zu lassen, damit
Zucht in den Kirchen zu erhalten und die Gottfürchtigen
an ihre christlichen Gebete nicht mögen gehindert
noch geärgert werden.
Weihnachtsspiele wurden auch am kurfürstlichen Hof aufgeführt. Junge Prinzen und Prinzessinnen des kurfürstlichen Hauses boten zusammen mit Kindern adliger Familien des Landes 1589 eine „kurze Comedie von der Geburt des Herrn Christi“ dar, die der Musikus Georg Pondo verfasst hatte. Aus dem Jahre 1611 ist überliefert, dass von den Söhnen und Töchtern der kurfürstlichen Familie zu Weihnachten ein „Kinder-Katechismus“ aufgeführt wurde. Er hatte in Fragen und Antworten die Geburt Christi nach der Lehre der Heiligen Schrift zum Gegenstand.
Doch dann nahmen wieder Mummenschanz und Narrenpossen zum Christfest so überhand, dass der Große Kurfürst dem Treiben am 17.12.1686 mit einem nachdrücklichen Verbot belegte. Es hieß hierin:
Nachdem viele Prediger und andere vielfältig geklagt,
daß gegen die Weihnachts-Feste mit dem sogenannten
heiligen Christ viel sehr ärgerliche Dinge vorkommen,
sogar Comedien und Possenspiele dabei gemacht
und getrieben werden: Se. Churfl . Durchl. Unser
gnädigster Herr aber solche Aergernis durchaus
abgeschaffet wissen wollen. Als befehlen Namens
Deroselben Wir Euch solche Aergernis gäntzlich abzuschaffen,
und darüber ernstlich zu halten.
Die Wirkung dieser Worte hielt aber wohl nicht lange an, denn schon am 18.12.1711 mahnte König Friedrich I. in Preußen die Berliner zu weihnachtlichem Ernst mit folgenden Zeilen:
Weil mit denen Lichter-Cronen
auf den Christabend viel Gaukeley
Kinderspiel und Tumult
getrieben wird: als befehlen wir
Euch hiermit nicht allein solche
Christ- und Lichterkronen gäntzlich
abzuschaffen. Sondern
auch die Christ-Messen nicht des Abends, sondern
des Nachmittags um 8 Uhr zu halten.
Den Übermut der Berliner konnte aber auch diese Verordnung auf Dauer nicht zügeln. So wundert es nicht, dass vor dem Weihnachtsfest von 1739 König Friedrich Wilhelm I. noch am 23.12. ein Edikt erließ, nach dem die „Christabend-Ahlefanzereien“ 1, besonders das öffentliche Tragen von Masken und die Verkleidung als Knecht Ruprecht und Engel Gabriel auf das strengste untersagt wurde.
Aus den geistlichen Schauspielen mit ihrem Ursprung im Mittelalter entwickelte sich im gewissen Sinne das Theater, das wir heute kennen. Weltliche Schauspiele entstanden. Damit gerieten auch die Berliner Weihnachtsspiele in Vergessenheit. Teils kamen als Weihnachtsspiele in den Theatern Berlins zu Beginn des 20. Jahrhunderts dramatisierte Märchen für die Kinderwelt zur Aufführung.
Gerhard Völzmann