Die MS Berlin
Mit einem atemberaubenden Überlandtransport vom Bodensee nach Berlin fing die Karriere der Berlin in Berlin an. Der Name Berlin scheint auf den ersten Blick nicht sehr inspiriert zu sein, beim genauen Hinschauen macht er aber doch Sinn, denn das Schiff war das größte Schiff auf dem Tegeler See. Angefangen hat es aber wesentlich kleiner.
Denn das vom Bodensee erworbene Schiff hieß Reichenau, gehörte der Deutschen Bundesbahn und war noch nicht einmal zwanzig Meter lang. Für den ganzjährigen Dienst zur Insel Reichenau gebaut, verfügte es über keine Sitzplätze auf dem Vorschiff. Dieser Platz war für den Transport von landwirtschaftlichen Lasten und Waren freigehalten. Nach einer Umstrukturierung bei der Reederei wurde das Schiff stillgelegt.
Für den Tegeler Reeder Walter Haupt kam die Umstellung beim Schifffahrtsbetrieb auf dem Bodensee gerade recht. Ein Schiff dieser Größe passte bestens in den Schiffspark der Reederei. Der General vom Tegeler See, wie Haupt genannt wurde, fackelte nicht lange und griff zu. Als Reichenau fuhr das Schiff acht Jahre auf dem Tegeler See, dann wurde es einfach zu klein.
Neben der Reederei Lahe war die Reederei Haupt die größte am See. Damals, 1970, war an der Greenwichpromenade noch viel los. Nach einem Umbau, bei dem die Reichenau um ca. 10 m verlängert und um 2,50 m verbreitert wurde, sollte es nun nicht mehr den Namen der Bodenseeinsel tragen, das Schiff bekam nun den standesgemäßen Namen Tegel. So verkehrte das Schiff aber auch nur kurze Zeit. Es war wieder zu klein. Mit einer Verlängerung konnte dem abgeholfen werden. Auch der Name wechselte abermals, nun war es ein Hamburger. Denn Seute Deern (süßes Mädel) hieß ein Seebäderschiff der Hadag in Hamburg, das nach Helgoland fuhr.
Vielleicht hat eine Helgolandfahrt der Reederin zu diesem für Tegel ungewöhnlichen Namen geführt. 1970 hat Gertraude Bethke, die Tochter von Walter Haupt die Reederei übernommen, die Reederei wurde nun modernisiert und größer als zuvor. Die Reederin übernahm vom Vater nicht nur den Betrieb, sondern auch den Rang, denn nun, als größte Reederei am See, gebührte ihr mindestens der Rang eines Admirals.
Die Seute Deern, ein 44,62 m langes Schiff, reichte aber für den Tegeler See immer noch nicht aus. Nur 11 Jahre war es als Seute Deern in Fahrt. Durch einen erneuten Umbau wurde es 1988 noch länger und mit 9 m wesentlich breiter. Nach diesem erneuten Umbau wurde es 52 m lang, also 18 m länger als vorher. Nun war der Name Seute Deern auch nicht mehr passend. Berlin war wohl der einzige Name, den man dem Schiff geben konnte. Die Berlin war nun das größte Schiff einer Tegeler Reederei.
Wer im April 2017 an der Greenwichpromenade in Tegel spazierte, wird sich gewundert haben, warum die Berlin nicht am Steg lag, wie es das gewohnte Bild wäre. Zu dieser Zeit, also kurz vor der beginnenden Saison, war die Schiffsreparaturwerft Malz gut besetzt, die Reederei Bethke bekam einen Termin, der das Schiff zum Saisonbeginn aus dem täglichen Geschäft nahm. Der Anlass für diesen Zwangsaufenthalt auf der Werft, anstatt auf dem Tegeler See seine Rundfahrten zu machen, war für die Reederei aber positiv. Die Berlin wird diesmal ausnahmsweise nicht größer. Ein neuer emissionsarmer Motor macht das Schiff nun auch noch zum saubersten auf dem Tegeler See.
Die Umbaugeschichte der Berlin, von der kleinen Reichenau zur großen Berlin ist der wohl spektakulärste Umbau eines Schiffes in Berlin. Eine solche Veränderung war bisher bei keinem anderen Schiff zu beobachten und Umbauten gab es in den 200 Jahre Personenschifffahrt in Berlin sehr viele. Wurde bei den meisten größeren Umbauten das Schiff so wesentlich verändert, dass vom alten Schiff kaum etwas übrig blieb, ist, und das ist wirklich etwas Besonderes, bei der großen Berlin die kleinere Reichenau immer noch im Rumpf zu erkennen. Das kam man freilich nur sehen, wenn das Schiff nicht im Wasser ist. Was man über Wasser sieht, ähnelt aber der alten, kleinen Reichenau in keinem Fall. Seit 1962 befährt das Schiff den Tegeler See. Als Reichenau, als Tegel, als Seute Deern und heutzutage als Berlin gehört es zum Bild des Tegeler Sees. 3 mal am Tag lädt es zu 1 bis 2 stündigen Fahrten bis zum Niederneuendorfer See ein. Fahrten zum Wannsee und viele Themenfahrten runden das Programm der Reederei ab. Im Fahrplan der Reederei gibt es ausführliche Informationen.
Wünschen wir der Reederei Marcus Bethke immer ein gut besetztes Schiff, das jetzt mit zwei neuen umweltfreundlichen Motoren den Fahrgästen auf dem See auch beste Luft bietet.
Manfred Bluhm