Dorfkirche Alt-Tegel
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Die evangelische Dorfkirche Alt-Tegel ist eine Kirche im Stadtteil Tegel des Berliner Bezirks und gleichnamigen Kirchenkreises Reinickendorf. Die aktuell existierende Kirche wurde 1911/1912 errichtet; davor standen an diesem Platz allerdings bereits drei Vorgängerbauten, deren Geschichte bis in das Mittelalter rückverfolgt werden kann.
Vorgängerbauten
Das um 1240 gegründete platzartige Sackgassendorf Tegel wird urkundlich erstmals 1322 erwähnt, und zwar als Kirchdorf, anlässlich der Vereinigung der Pfarren von Tegel und Dalldorf, wobei letztere zur Mutterkirche von Tegel wurde. Die Tochterkirche Tegel wird erst wieder 1894 zur selbstständigen Kirche. Im Landbuch Karls IV. (1375) wurden für Tegel vier Pfarrhufen ausgewiesen. Es ist anzunehmen, dass das Dorf möglichst bald nach 1240 eine Kirche aus Holz bekam, und zwar auf der platzartigen Erweiterung des Ortes. Über ihr Aussehen ist nichts bekannt.
Der Dalldorfer Pfarrer Schlüter schrieb 1714 über seine Filialkirche Tegel: „Die Kirche ist sehr gering, klein und von Holz erbaut mit schlechter Lehmwand.“ Es ist unklar, ob es sich dabei noch um den mittelalterlichen Bau handelte. 1724 ließ Friedrich Wilhelm I. Baumaterialien für den Bau einer Fachwerkkirche zur Verfügung stellen. Diese wurde aber schon 1756 durch einen soliden Steinbau ersetzt: ein Rechtecksaal mit gegliederten Putzfassaden, korbbogigen Fenstern und quadratischem Westturm mit Pyramidenhelm. Diese Saalkirche wurde zwar 1871/72 vollständig umgebaut, aber schon bald darauf 1911 zugunsten einer städtisch wirkenden Kirche ersetzt.
Aktuelle Kirche
Die existierende Kirche in neuromanischen Formen wurde 1911/1912 nach Plänen von Jürgen Kröger errichtet. Es handelt sich um ein dreischiffiges Langhaus mit einer mittelschiffsbreiten Apsis und einem westwerkartigen Turm. Der Mauerwerksbau ist verputzt; die schmückenden und gliedernden Teile sind aus Sandstein. Die Bronzetür mit der symmetrischen Ornamentik stammt von dem Kunstschmied Ottomar Holdefleiss. Die offene Eingangshalle ist eine dreibogige Arkade mit seitlich angesetzten Treppentürmchen. Der Innenraum ist in drei Joche gewölbt, hat an den Längsseiten Emporen und an der Eingangsseite eine weitere für die Orgel. Die Kirche bietet 600 Plätze und kostete 1912 rund 170.000 RM.
Kirchhof Alt-Tegel
Im direkten Umfeld der Kirche befinden sich eine Reihe alter Grabmäler, die noch zum alten Kirchhof der Dorfkirche gehören, der im 15. Jahrhundert angelegt und 1874 geschlossen wurde. Außerdem wurde an der Südseite der Kirche das Kriegerdenkmal „Den Opfern der Kriege und der Gewalt“ errichtet, welches an die Gefallenen der Weltkriege 1914–1918 und 1939–1945 erinnern soll.
Im Nordosten befindet sich ein einzelnes Grabmal, welches mit einer marmornen Urne gekrönt und von einer Tafel mit Porträtmedaillon verziert ist. Hier wurde die 1784 verstorbene Wilhelmine Anne Susanne von Holwede, geborene Colomb, die Schwester von Marie-Elisabeth von Humboldt und somit die Tante der bekannten Brüder Wilhelm von Humboldt und Alexander von Humboldt, begraben.
Weitere Gräber liegen an der Südseite. Dabei handelt es sich um die Grabstätten einer Reihe von Personen, die in der Kirche und Gemeinde wirkten. Unter diesen finden sich beispielsweise der Gedenkstein des Dorfchronisten August Wietholz (31. Mai 1869 – 17. März 1949) und das Grab des Kommunalpolitikers Johann August Friedrich Wilke (1. August 1811 – 25. Juli 1874).
Die evangelische Kirche Alt-Tegel
Diese Kirche steht auf demselben Platz, auf dem nach der Gründung des Dorfes Tegel um 1230 die erste kleine Dorfkirche, eine der damals üblichen Fachwerkkirchen, von den Siedlern errichtet wurde. Im Laufe der Jahrhunderte ersetzte man wahrscheinlich mehrmals die baufällig gewordenen Kirchengebäude durch Fachwerk-Neubauten. Da schon 1322 die Pfarre des ärmlichen Dorfes Tegel mit derjenigen des Nachbarortes Dalldorf (seit 1905 Wittenau genannt) zusammengelegt wurde, war die Tegeler Dorfkirche nur eine bescheidene Tochterkirche. Während die Dalldorfer Mutterkirche um 1490 aus Feldsteinen massiv erbaut wurde, heißt es 1714 über die Tegeler: »Die Kirche ist sehr gering, klein und von Holz erbaut mit einer schlechten Lehmwand …« . Erst 1756, als die Einwohnerzahl des Ortes auf etwa 150 angewachsen war, ersetzte man die zu klein gewordene Fachwerkkirche durch einen Massivbau im einfachen Barockstil. Als die Gemeindezahl auf 600 gestiegen war, wurde dieses Gebäude 1872 durch Anbau einer Apsis vergrößert und unter Verwendung romanischer Stilformen äußerlich neu gestaltet. 1910 war dieses Gebäude längst zu klein, weil Tegel inzwischen etwa 10 000 evangelische Einwohner hatte. Nach dem Abbruch der alten Dorfkirche wurde die heutige Kirche AltTegel nach Entwurf des Baurats Jürgen Kröger im Stil einer altsächsischen Wehrkirche mit einem 31 m hohen, aber breiten Turm erbaut, der sich von dem schlanken neogotischen Turm der 1905 errichteten katholischen Kirche abheben sollte. Die Grundsteinlegung fand am 25. Mai 1911, die Einweihung am 19. Januar 1912 statt. Die Tegeler Einwohner stifteten viele Einrichtungsgegenstände. Das kunstvolle Kirchenportal schuf und spendete der Kunstschmied Ottmar Holdefleiß aus der Adelheidallee 5/7. Die ebenfalls mit Spendenhilfe angeschafften drei Bronzeglocken mussten alsbald im Ersten Weltkrieg für Kriegszwecke abgegeben werden. 1922 wurden drei neue Glocken als Geschenk der A. Borsig OHG aus einer Bochumer Glockengießerei bezogen.
Im Zweiten Weltkrieg waren im Innenraum der Kirche Möbel kriegsgeschädigter Tegeler Einwohner abgestellt. Durch den Luftdruck einer in der Nähe explodierten Luftmine wurde am 26. November 1943 das Kirchendach abgedeckt. Die Gottesdienste hielt man im Konfi rmandenraum des benachbarten Pfarrhaus (Alt-Tegel 39) ab, bis auch dieses in der Nacht zum 16. Februar 1944 zerstört wurde. Danach fanden die Gottesdienste in der Aula des Schulgebäudes statt, bis 1946 wieder die eigene Kirche zur Verfügung stand.
1960 renovierte man das Innere der Kirche und entfernte die von den Tegelern gestifteten Gegenstände wie Kanzel, Altar und Taufstein. Der neue Altar wurde aus bayrischem, grauschwarzen Muschelkalkstein geschaffen. Auch die achteckige neue Kanzel ist mit Steinplatten verkleidet, von denen drei Platten Bibelsprüche zeigen. Zum neuen Taufstein gehören eine Taufschale und eine Taufkanne aus dem Jahr 1964. Im selben Jahr erhielten die Kirchenfenster eine neue Kunstverglasung nach Entwürfen des Graphikers Siegmund Hahn. Schon 1960 war eine neue Orgel von Detlef Kleuker aus Brackwede in Benutzung genommen worden.
1968 wurde das Kircheninnere erneut renoviert. Das Kreuz auf der Turmspitze knickte bei einem Sturm 1967 ab und wurde 1973 durch das jetzige 2,70 m hohe Kreuz ersetzt.
Klaus Schlickeiser