Vom 1.7.1830 an wurde es ruhiger in der Umgebung von Tegel. Nun war der gelegentliche Peitschenknall des Postillions hoch auf dem gelben Wagen nicht mehr zu hören. Der melodische Klang des Posthorns blieb aus, wenn die Postkutsche ein langsameres Fuhrwerk überholen wollte. Bisher verkehrte die Hamburger Fahrpost am Dienstag um 20 Uhr und am Mittwoch und Sonnabend um 10 Uhr über Tegel, Hennigsdorf, Kremmen, Fehrbellin, Perleberg und Boitzenburg nach Hamburg. Sie traf dort am Freitag um 4.30 Uhr und am Freitag, Sonntag und Montag um 20.15 Uhr ein. Von dort aus ging es Dienstag, Donnerstag und Freitag um 15 Uhr und am Montag um 17 Uhr zurück nach Berlin, um hier am Freitag, Sonntag und Montag um 2.30 Uhr und am Donnerstag um 2 Uhr einzutreffen. Für die gesamte Strecke war unter Beachtung der unterschiedlichen Währungen ein Personen- und Einschreibegeld von 8 Rthlr. 18 ½ Sgr. zu zahlen. Ein kleines Reisegepäck bis 10 Pfund war kostenfrei. Doch nun verkehrten die Posten über Staaken, Nauen und Friesack auf der neuen Kunststraße nach Hamburg.
Wie aber wurden damals die Bewohner Tegels mit Post versorgt? Die „Correspondenz“ nach den zwei Meilen im Umkreis der Residenz gelegenen Dorfschaften und Etablissements, auch nach Tegel, wurde durch besondere Landboten abgefertigt. Zweimal wöchentlich, und zwar mittwochs und sonnabends, brachte der Landbote die Post nach Tegel sowie nach Blankenfelde, Dahldorf (Wittenau), Hermsdorf, Reinickendorf, Rosenthal und Schönholz. Der Bote war angewiesen, auf dem Lande Briefe nach Berlin und weitergehende unfrankierte Correspondenz anzunehmen.
Wer von Tegel aus nach Berlin fuhr und dort einen Brief aufgeben wollte, der erreichte vor dem Oranienburger Tor in der Oranienburger Chaussee (heutige Chausseestr.) im Haus Nr. 9 die nächstgelegene, mit einem Schild „Königliche Briefsammlung No. 61“ versehene Annahmestelle (1837).
Im Juni 1849 wurde ein weiterer Abschnitt der Chaussee über ihren bisherigen Endpunkt hinaus (heute Seidelstraße) in Richtung Tegel bis Hennigsdorf und im März 1851 bis Ruppin fertig gestellt. Die Post nahm dies zum Anlass, am 4.4.1851 im Amtsblatt zu veröffentlichen, dass „in Folge der stattgehabten Vollendung der neuen Chaussee zwischen Berlin und Neu-Ruppin über Hennigsdorf, Cremmen und Herzberg in der Mark“ vom 1.4.1851 Veränderungen der Postverbindungen eintraten. Es wurde eine zweispännige Personenpost zwischen Berlin und Neu-Ruppin mit sechssitzigen Wagen eingerichtet, die täglich um 23 Uhr in Berlin abfuhren. Eine Personenaufnahme fand u. a. „beim Chausseehause unweit des Artillerie-Übungsplatzes 1 Meile von Berlin, 1 ¾ Meilen von Hennigsdorf“ entfernt statt. Damit war das Chausseehaus Rehberge gemeint. Nächster Haltepunkt für die Aufnahme von Personen war dann „in Tegel beim Kruge, 1 ¾ Meilen von Berlin und 1 Meile von Hennigsdorf entfernt“. Der Krug war das heutige Restaurant „Alter Fritz“. Wann die Postkutsche hier eintraf, stand nicht in der Veröffentlichung. Zwischen 1 Uhr und 1.10 Uhr nachts waren die Reisenden jedenfalls in Hennigsdorf und um 6.45 Uhr in Neuruppin.
In den 1860-er Jahren versorgte Landbriefträger Lucke die Tegeler Einwohner mit Post. Im Juli 1870 wurde ihm allerdings die Verwaltung der Postexpedition in Lichtenrade übertragen. Ein Landbriefträger erhielt im Jahre 1861 eine „Löhnung“ von bis zu 120 Talern jährlich. Für die Anstellung (insbesondere von Militär-Invaliden) musste eine Kaution in Höhe von 50 Talern in „courshabenden Papieren“ hinterlegt werden.
Der Landbriefträger bestellte (Stand 1867) seine Post in Tegel an allen Wochentagen einmal täglich. Sonntags, am Karfreitag, am ersten Weihnachtsfeiertag, am Bußtag und am Himmelfahrtstag erfolgte keine Briefzustellung. Das Landbriefbestellgeld betrug für gewöhnliche Briefe bis zu einem Gewicht von 15 Loth, welche bei den Berliner Postannahmestellen eingeliefert wurden, 1 Groschen/Stück. Gingen Postsendungen mit den Postbeförderungs-Gelegenheiten in Berlin ein, war ein Entgelt von ½ Groschen an Bestellgeld zu entrichten.
Ohne Zweifel war es ein großer Fortschritt, als in Tegel im Juli 1873 eine Postexpedition zweiter Klasse eröffnet wurde. Nun konnten die Einwohner Ihre Briefe und Pakete in der Schloßstraße 23 bei dem Postexpediteur, Kaufmann und späteren Gastwirt Vogel abgeben. Der Einrichtung der Expedition war sogar eine Befragung der Tegeler vorausgegangen, ob sie eine Beförderung der Postsachen durch die Berlin – Ruppiner oder aber durch die Berlin – Strelitzer Post wünschten. Natürlich hätte es nahe gelegen, sich für die durch Tegel fahrende Berlin – Ruppiner Post zu entscheiden. Doch die Majorität der Befragten wünschte eine Anbindung an die Berlin – Strelitzer Post in Hermsdorf. Der Grund war einleuchtend: Die Post nach Ruppin verließ Berlin um 23 Uhr, während die nach Strelitz früh in Berlin abging. Sie konnte noch die nachts in Berlin eingehenden Poststücke wie auch die aktuellen Tageszeitungen mitnehmen. Für den Tegeler Postboten bedeutete dies allerdings, gegen 8 Uhr in dem eine halbe Meile entfernten Hermsdorf die Post in Empfang nehmen zu müssen. Gegen 9 Uhr traf er damit in Tegel ein und verteilte dann die Briefe in den umliegenden Ortschaften und Etablissements. Nachmittags musste er wieder mit der aufzugebenden Post nach Hermsdorf. Hier ging die Post nach Berlin gegen 15.30 Uhr ab.
Am 16.12.1876, Tegel hatte jetzt bereits (seit 1874?) ein Postamt, wurde eine Telegrafenanstalt mit beschränktem Tagesdienst eröffnet. Nun konnten an den Wochentagen von 9 – 12 vormittags und von 2 – 5 Uhr nachmittags Depeschen aufgegeben werden.
Vom 20.9.1880 an wurden die Stationen für regelmäßige Posten und Beiwagen in Kremmen und Hennigsdorf wie auch die tägliche Personenpost Berlin – Kremmen aufgehoben.
Bereits ab 1.10.1882 wurden im Interesse einer besseren Postverbindung der Ortschaften in der nächsten Umgebung mit Berlin einspännige Kariolposten eingeführt. Zu diesem Zweck wurde die Umgebung der Stadt in insgesamt 7 Kariolpost-Reviere eingeteilt. Das vierte Revier umfasste die Tour von Charlottenburg über Moabit, Stadtpostamt Nr. 39, Gesundbrunnen, Pankow, Reinickendorf, Dalldorf, Tegel, Tegeler Landstraße, Plötzensee, „Martinsfeld“ (Martinikenfelde) und endete wieder in Charlottenburg.
Zumindest in der Zeit ab 1884 unterhielt die Post in Tegel eine Koppelanlage mit Stallungen für 22 Pferde. August Wietholz, Chronist von Tegel, äußerte sich hierzu wie folgt:
Es (das Grundstück) diente früher als Erholungsstätte für kranke Postpferde, versorgte Tegel im Überfluss mit Fliegen und sonstigen Insekten und hinderte die Durchlegung der Treskowstraße. Es gehörte der Kaiserlichen Ober-Postdirektion Berlin und wurde im Jahre 1909 zum Gesamt-Flächeninhalt von 8608 qm für den Preis von 218082 Mark von der Gemeinde erworben.
Werfen wir nun einen Blick auf auf die Entwicklung des Fernsprechnetzes. Als 1881 in Tegel Telefon eingerichtet wurde, meldeten sich 11 Teilnehmer an. Den ersten Anschluss (Telefonnummer 1) hatte der damalige Gastwirt Ewest, Hauptstr. 6 (jetzige Straße Alt-Tegel). Er zahlte eine Jahresgebühr von 200 Mark.
Vom August 1891 an richtete die Ober-Postdirektion in Berlin, Abteilung Fernsprechverkehr, einen besonderen Service für Sommerfrischler ein, die sich in der Umgebung der Stadt aufhielten. Die Beamten der öffentlichen Fernsprechstellen in den Vororten Berlins, so auch in Tegel, wurden angewiesen, auf Verlangen eines Fernsprechteilnehmers aus Berlin auch einen Nichtteilnehmer des Fernsprechnetzes durch einen Boten zur öffentlichen Fernsprechstelle holen zu lassen. Der Betreffende durfte allerdings nicht zu weit vom Postamt entfernt wohnen. Für das Holen war eine festgesetzte Gebühr zu bezahlen. Es ist schon erstaunlich, dass für eine derartige Dienstleistung, die ja zeitlich nicht voraussehbar war, ein Bote zur Verfügung stand.
Ab 1.10.1895 waren Telefonate von Tegel nach Ludwigsfelde möglich. Ein Gespräch mit einer Dauer von 3 Minuten kostete 1 Mark, während im November 1895 der Fernsprechverkehr zwischen Tegel und Velten begann. Für ein gewöhnliches Gespräch mit einer Dauer von bis zu drei Minuten waren 50 Pfg. zu zahlen.
In den Folgejahren stiegen die Einwohnerzahlen Tegels (1901 = 7439) sowie das Postaufkommen. Das Postamt in der Berliner Str. 4 (1885 Postassistent Dumzlaff, später Vorsteher A. Friedrich, dann Postmeister C. G. Meyer)) wurde deshalb ab 1901 durch einen Neubau in die Bahnhofstr. 2 (jetzige Grußdorfstr. 3-4) verlegt. 1903, 1913 und 1920 erfolgten Erweiterungen und Aufstockungen sowie der Bau eines Fernsprechamtes. Für den Um- und Erweiterungsbau auf dem Tegeler Postgrundstück wurde 1921 in den Entwurf zum Reichshaushalt ein Schlussbetrag von 1821400 Mark eingestellt.
Bereits durch Erlass v. 8. Januar 1912, also noch vor der Eingemeindung zur Stadt Berlin, führte das Postamt die Bezeichnung Berlin-Tegel und ab 1928 Berlin-Tegel 1. Am 7.10.1934 wurde das Tegeler Fernsprechamt auf Wählerbetrieb umgeschaltet, es hieß fortan Vermittlungsstelle Tegel-W. Das „Fräulein vom Amt“ entfiel nun für die etwa 1400 Telefonteilnehmer, die auch in Waidmannslust, Hermsdorf, Lübars, Hennigsdorf, Glienicke und Heiligensee wohnten.
Im September 1936 zog die Belegschaft des Postamtes in neue Schalterräume. Das Amt hatte zu dieser Zeit über 100 Beschäftigte. 8 Vollagenturen gehörten zum Bereich des Postamtes. Während des zweiten Weltkrieges konnte das Postamt noch bis zum Abend des 21.4.1945 seinen Betrieb bis hin zu Geldauszahlungen aufrechterhalten. Nach Kriegsende wurde der Postbetrieb bereits ab 16.6.1945 wieder aufgenommen. Am Stichtag 27.6.1945 gab es die Postämter Tegel 1, Bahnhofstraße 3, Tegel 2, Allmendeweg 79, Tegel 3, Waidmannsluster Damm 29 und Tegel 4, Kamener Weg 27.
Das große viergeschossige Eckhaus Grußdorfstraße/Buddestraße wies ursprünglich eine durch Fassadenstuck gegliederte Außenseite auf und war von einem Ecktürmchen gekrönt. Bauherr war im Jahr 1901 der Tegeler Bauunternehmer Hermann Valtink, der im Ort eine Vielzahl großer Mietwohnhäuser für fremde Bauherren errichtet hat.
Dieses Eckwohnhaus baute er aber für sich selbst, um Mieteinnahmen zu erzielen. Das Erdgeschoss an der Ecke vermietete er an den Gastwirt Wilhelm Trapp, der hier „Trapps Festsäle“ eröffnete. Zu diesen gehörte ein großer Fest- und Tanzsaal in dem Gebäudeflügel Buddestraße; dort sind die zugemauerten Bogenfenster des früheren Saales noch zu erkennen.
Trapp pries in einer Anzeige an: „Im neu erbauten Pracht-Saal jeden Sonntag Großer Ball bei gut besetztem Orchester. Anfang 4 Uhr (d.h. 16 Uhr), Entree 10 Pfennig.“
Es bestanden eine Kegelbahn im Haus und ein Musikpavillon im Nachbargarten. Um 1913 war der Gastwirt Max Gramm Inhaber der „Festsäle“, die bei Kriegsbeginn 1914 geschlossen wurden. In einen Teil der Räume zog während des Krieges die von der Gemeinde Tegel betriebene „Mittelstandsküche“ ein, die Suppe und Eintopf an bedürftige Einwohner ausgab. Ein Mittagessen wurde für 50 Pfennig, ab 10.12.1917 für 1 Mark an Wochentagen und 1,50 Mark an Sonntagen abgegeben. Außerdem richtete die Gemeinde hier noch eine „Kriegsküche“ ein, in der eine Mahlzeit wochentags 50 Pf. und sonntags 60 Pf. kostete. In jenen Hungerjahren war der Andrang so groß, dass der tägliche Speisevorrat meist schon gegen 11.30 bis 12 Uhr ausverkauft war.
Um 1919 erwarb Fritz Joschek das Gebäude. Er ließ 1928 den Turmaufbau an der Straßenecke abtragen. Den ehemaligen Festsaal hatte er schon 1919 in das Kino „Filmpalast Tegel“ umgewandelt. Dieses erste Großkino des Ortes verfügte im Parkett über 456 Sitz- und 62 Stehplätze sowie im Rang mit Balkon über weitere 155 Sitzplätze. Die in den 1920er Jahren üblichen Stummfi lme wurden unter Musikbegleitung vorgeführt. Eine Borsigwalderin spielte Klavier, und ihr Verlobter begleitete sie auf der Bassgeige. Der Eingang zum Kino befand sich in der Grußdorfstraße unmittelbar neben dem Postgebäude. Die Zuschauer gelangten durch einen auf dem Hof gelegenen Foyer-Aufbau in den Kinosaal und verließen ihn durch den Ausgang in der Buddestraße. 1965 schlossen die Eigentümer Körber und Runge den „Filmpalast“, in dessen umgebauten Zuschauersaal das „Tegeler Discount-Center“ einzog.
Neben dem Kinoausgang in der Buddestraße bestand 1948/1949 die „Wechselstube Tegel“ von Kiessling. Der Inhaber kaufte Ostgeld (DM-Ost) gegen Westgeld (DM-West) an und verkaufte das Ostgeld zu einem etwas höheren Preis gegen Westgeld an Einwohner, die das Ostgeld zum Einkaufen im Ostsektor Berlins oder etwa für den Besuch eines dortigen Theaters benötigten. Der Kurs lag meist bei 1 DM-West zu 4 DM-Ost. Die Wechselstube zog bald in das gegenüber gelegene, heute nicht mehr bestehende, Geschäftshaus von „Radio-Avi“ um.
Das Eckhaus verlor 1958 seinen Fassadenstuck und wurde glatt verputzt.
Gerhard Völzmann