Veranstaltet von der Arge Geschichtsforum Tegel
Anlässlich der 700-Jahr-Feier Tegels soll mit den zehn Führungen durch die Geschichte unseres Ortsteils insbesondere neuen Einwohnerinnen und Einwohnern ein Einblick in ihre Wohnumgebung gegeben werden. Aber selbst Alteingesessene können oft noch viel Neues erfahren.
Dorf Tegel: Die Reihe beginnt mit der Gründung des Dorfes und erläutert, wie Tegel über Jahrhunderte von der Landwirtschaft geprägt war. Das schloss eine wechselvolle, oft verheerende Geschichte nicht aus, seien es drastische Erhöhungen von Abgaben und Dienstverpflichtungen, seien es Verheerungen durch Kriege. Erst die allmähliche Aufhebung der Feudalordnung in Preußen erleichterte die Lage der Bauern. Als sie schließlich Grund und Boden für Schießplatz, Wasserwerk, Strafanstalt, Gaswerk und Wohnbebauung verkaufen konnten, ging es steil aufwärts. Aber das war dann schon das Ende der Landwirtschaft und des Dorfes als Produktions- und Lebensgemeinschaft.
Fließ, Forst und Mühle: Von Beginn an bildete das Fließ die Grenze der Dorfgemarkung gegenüber der Gemeinde Heiligensee. Die Wassermühle gehörte wohl schon immer zum Dorf, während das Waldgebiet nordwestlich des Tegeler Sees als zu Heiligensee gehörig behandelt wurde. Erst mit der Ausgliederung eines Vorwerks, beziehungsweise kleinen Gutes bei der Mühle entstand ein neuer Akteur zwischen Heiligensee und Tegel, der zudem noch die Mühle erhielt – eine wichtige Einnahmequelle für das nicht mit Leibeigenen ausgestattete kleine Gut. Die Kurfürsten und später die Könige nutzten ihren Wald als Jagdrevier.
Der Schlossbezirk: Mit der Zuordnung der Mühle zum Gut Schlösschen Tegel etablierte sich auch ein gewisser Gegensatz des Gutes zum Dorf, der sich auch in wiederkehrenden Streits über Fischfangrechte und über Zahlungen des Schlosses für die Dorfschule zeigte. – Der Humboldtvater brachte das Gut wirtschaftlich voran; aber richtig aufwärts ging es im Schlossbezirk – ähnlich wie im Dorf – erst mit dem Verkauf von Grundstücken und der Bebauung von Parzellen mit Villen, sowie der Errichtung von großen luxuriösen Einrichtungen wie dem Restaurant Kaiserpavillon und dem KurhausTegel, beide nach zähen Auseinandersetzungen mit dem Bezirk um 1976 abgerissen.
Der Spuk in Tegel: Unter dem abergläubischen König Friedrich Wilhelm II. konnten ansonsten in die Defensive gedrängte aufgeklärte Menschen bei der Aufklärung des Spuks in Tegel einen wichtigen Punktsieg erringen. Allerdings gönnte Johann Wolfgang von Goethe seinem Erzfeind Friedrich Nicolai diesen Erfolg nicht und verfälschte das Geschehen in seinem Faust, in dem er Nicolai unter Bezug auf den Spuk in Tegel der Lächerlichkeit preisgab: „Wir sind so klug, und dennoch spukt`s in Tegel.“
Infrastruktur für Berlin: Schon früh lagerte Berlin seine flächenfressenden Infrastruktureinrichtungen ins Umland aus, zumal dort die Grundstückspreise niedrig waren, beginnend 1828 mit dem Schießplatz in der Jungfernheide, für den die Tegeler Bauern gegen Entschädigung auf Hüterechte verzichten mussten. Auch der Verkauf von Grund und Boden für ein städtisches Wasserwerk wurde für die Bauern ein gutes Geschäft. An der Fernstraße nach Hamburg und an der Kremmener Bahn verkehrsgünstig gelegen, errichtete Berlin hier die Königliche Strafanstalt. Für den Bau des damals größten Gaswerks des Kontinents erwies sich vor allem die Nähe zum Tegeler See als entscheidend: Auf dem Wasserwerk brachten Schiffe den Rohstoff Kohle heran.
Borsig kommt: Für Borsigs Ansiedlung waren beide Verkehrsverbindungen entscheidend, der Wasserweg und die Eisenbahn. Die Großindustrie brachte einen brachialen Strukturwandel nach Tegel. Die Borsigs stellten ein modernes Werk auf die „grüne Wiese“ und entwickelten es ständig weiter – nicht nur zum zeitweise weltweit zweitgrößten Lokomotivproduzenten. Der Erste Weltkrieg bescherte Borsig einen gewaltigen Boom, und selbst nach der Niederlage verdienten die Borsig noch an den Reparationen – bis sie ihr Werk finanziell in den Abgrund steuerten.
Ausflugsboom am Tegeler See: Schon früh zog es Betuchte in die Naturidylle am Tegeler See, in den Wald und zum Humboldt-Schloss. Ausflüge mit dem Dampfer bildeten dann die nächste Attraktion. Mit der Entwicklung der Verkehrsmittel (Pferdebahn, Straßenbahn) konnten sich auch die Ärmeren einen Ausflug „ins Jriene“, eine Landpartie leisten. Biergärten mit hunderten von Sitzplätzen, Ausflugsdampfer und Vergnügungslokale am See- und am Havelufer bedienten den Trend „Mit Kind und Kegel auf nach Tegel!“
Neu-Tegel und der Tile-Brügge-Weg: Mit der Expansion des Borsigwerks stieg der Bedarf an Wohnungen: Östlich der Bahngleise plante die Gemeinde ein ganz neues Stadtquartier. Als erstes Gebäude errichtete sie mitten in Kornfeldern das Gymnasium, eine Bildungsburg. Aber richtig bebaut wurde Neu-Tegel hier erst in der Weimarer Republik – mit Wohnungen als Alternative zur Mietskaserne in den Innenstadtbezirken: drei- bis viergeschossig mit Licht, Luft und Sonne. Im Tile-Brügge-Weg zeigen solide Häuser in Blockbauweise, aber mit großen Innenhöfen, dass es schon in der Kaiserzeit gute Wohnarchitektur gab. In Nr. 97 fand das letzte Treffen der Widerstandsgruppe Mannhart statt.
Die Baugenossenschaft Freie Scholle: Als Bau-, Produktions- und Konsumgenossenschaft geplant, vergaß die Freie Scholle nie, Wohnraum für Ärmere zu schaffen, selbst wenn es nicht die ganz Armen waren. Häuser aus fünf Bauepochen machen den äußeren Reiz der Siedlung aus, der innere drückt sich in einem besonderen Zusammenhalt der BewohnerInnen bis heute aus, der sich auch im Widerstand gegen den Nationalsozialismus zeigte.
Die IBA-Häuser am Tegeler Hafen: Trotz U-Bahn-Anschluss 1958 verlor Tegel zu Mauerzeiten mit dem Niedergang Borsigs und der Schließung seines Hafens seine Funktion als wichtiges Zentrum im Nordwesten Berlins. Um so wichtiger war die Umgestaltung des Hafengeländes im Zuge der Internationalen Bauausstellung 1985/87 mit postmodernen Bauten; Stararchitekten durften sich austoben und schlugen ein Kultur- und Freizeitzentrum vor, das Tegel zum Zentrum des Bezirks gemacht hätte. Verwirklicht wurde allerdings nur die traumhafte Humboldt-Bibliothek.
Termine und Treffpunkte:
24.04.: Am Ursprung: Der alte Dorfkern – Treff: Alt-Tegel, hinter der Kirche
08.05.: Fließ, Forst und Mühle – Treff: Eingang zum Medical Park, An der Mühle 2
22.05.: Der Schlossbezirk: Gegenpol zum Dorf – Treff: Gabrielenstr./Zufahrt zum Schloss
05.06.: Ein berühmter Spuk – Von Tegel in den „Faust“ – Treff: Alt-Tegel 43, Seniorenfreizeitstätte
19.06.: Schießplatz, Wasserwerk, Gaswerk, Gefängnis – Infrastruktur für Berlin – Treff: Bernauer Str./Seidelstr.
03.07.: Borsig kommt! Die Reste des Werks – Treff: U-Bahnhof Borsigwerke, am Borsigtor
14.08.: Ausflugsboom am Tegeler See – Treff: Wilkestr. 1-5, Hafenbar
28.08.: Neu-Tegel und der Tile-Brügge-Weg – Treff: Eschachstraße/Tile-Brügge-Weg, Humboldt-Gymnasium
02.10.: Eine frühe Genossenschaft: Die Freie Scholle/Gast: J. Hochschild – Treff: Waidmannsluster Damm 77, Landhaus Tomasa
16.10.: Postmoderne in Tegel – Die IBA 1984-87 – Treff: Humboldt-Bibliothek, Karolinenstr. 19
Jeweils Sonntag, 14 Uhr – Eintritt frei – Info: 437 45 207