Der Dichter und Musiker Peter Cornelius war auch in Tegel

Carl August Peter Cornelius wurde am Heiligen Abend des Jahres 1824 in Mainz als dritter Sohn des Schauspieler-Ehepaares Carl und Friederike Cornelius geboren. Später erwähnte Cornelius sein Geburtsdatum bei passender Gelegenheit gern mit einem Schmunzeln. Er besuchte in seiner Vaterstadt die Elementar- (Bürger-) Schule bis zum 14. Lebensjahr. In einer Autobiografie schrieb Cornelius hierzu: „Ich … habe mir später meine paar Körnchen Bildung auf eigenem Weg aufgelesen, wo Anderen die volle Tafel geboten wird.“ Ein Mitschüler äußerte einmal, dass die Schulzeit Cornelius ́ höchsten vier Jahre andauerte. Er machte nie besondere Fortschritte, er lernte nie, orthographisch richtig zu schreiben.

In späterer Zeit gab es keinen Brief, den Cornelius an Freunde in München schrieb, in denen nicht jede Zeile einen Rechtschreibfehler enthielt. König Ludwig I. las diese Briefe mit Vergnügen und äußerte einmal: „Seltsam! Cornelius kann nie korrekt schreiben, und doch sind seine Briefe so interessant, dass man sie drucken sollte“.

Nach der Schulentlassung sah sich Cornelius vor der Entscheidung „zwischen Wort und Ton.“ Mit Blick auf den eigenen Beruf wollte der Vater aus dem Sohn einen tüchtigen Schauspieler machen. Doch 1840 gewann der Musiker für einige Zeit die Oberhand. Als Geiger nahm er an einer Reise des Mainzer Orchesters nach London teil. Nach der Rückkehr begann wieder das Studium für den schauspielerischen Beruf. Doch er lieferte – auch bei öffentlichen Auftritten – keine glänzenden Erfolge. So reifte der Entschluss, die dramatische Kunst liegen zu lassen. Immerhin, so seine Überlegung, könnte er ja als Komponist zur doch geliebten Bühne zurückkehren.

Bis September 1844 erteilte Peter Cornelius sodann musikalischen Unterricht.

Am 17.9.1844 zog Cornelius nach Berlin. Er bewohnte hier in der Mittelstraße 45 eine einfache Wohnung und genoss dann vom 23.4.1845 an auf Kosten seines großen Verwandten, des Malers Peter von Cornelius (1) den Unterricht des berühmten Siegfried Wilhelm Dehn (2). 4 – 5 Stunden musste er nun arbeiten, oft bis nachts 3 Uhr. Durch Unterrichtsstunden und Berichte für eine Zeitung verdiente er sich seinen Lebensunterhalt. Zur Karnevalszeit 1846 lernte er den jungen Paul Heyse kennen, dessen Freundschaft seinen weiteren Lebensweg beeinflusste.

Es folgte in Cornelsen ein Drang zum Poetischen, ohne hier auf Einzelheiten einzugehen. Sodann stellte sich neuer Fleiß für musikalische Studien ein. Allein in der ersten Jahreshälfte 1847 entstanden 30 Kanons für Damenstimmen. Es folgten unter anderem zwölf-stimmige Chöre, ein Kanon zu 8 Stimmen und ein Stabat Mater (3) für Chor, Soli und Orchester.

Am 3.8.1848 hielt Cornelius dann in seinem Tagebuch fest:

Stabat mater fertig. Ich hatte die letzte Woche und besonders die letzten Tage, je näher es ans Ende kam, haarig daran gearbeitet, und freute mich über alle Maßen, es fertig vor mir zu sehen. Dehns Lob … befriedigte mich vollkommen, und ich hatte die glückliche Idee, etwas auf meinen Lorbeeren zu ruhn und mich der süßen Bummelei mit rückhaltloser Seele hinzugeben.

Ich ging nach Tegel. Aus den nachfolgenden kleinen Gedichten magst du erkennen, wie der Aufenthalt poetisch wirkte. Das letzte Lied von mir und noch zwei von Heyse komponierte ich und betitelte das Ganze: Ein Tag in Tegel.

So zitierte Cornelius in einem Brief vom 13.9.1848, den der Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel in seinen „Ausgewählten Briefen“ mit veröffentlichte.

Ein Tag in Tegel enthielt drei Lieder für Fräulein Therese Egells, komponiert von Paul Heyse (4) und Peter Cornelius, in folgender Reihenfolge:

„In der Mondnacht“ – „Im Walde“ – „Am See“.

Über dem letzten Lied stand: „gedichtet in Tegel, 8. August 1848 v. P. Cornelius“.
Am 24.12.1848 äußerte sich Cornelius in einem Brief an seinen Bruder Carl (5) über Heyse. Er berichtete, dass er seit etwas länger als einem Jahr mit dem jungen Dichter in intimerem Umgang lebe. Heyse sei nicht dünkelhaft, sich selbst als Dichter zu bezeichnen. Er strebe vielmehr, es zu werden und zu sein. Von weiteren Angaben aus dem umfangreichen Brief wird hier abgesehen.

Therese Egells, für die Cornelius die Gesänge komponierte, war eine der fünf Töchter des Franz Anton Egells. Dieser kam einst aus seiner westfälische Heimat als Schlosser nach Berlin und fing mit einer kleinen Gießerei an, aus der sich eine große Maschinenbauanstalt entwickelte. Hier war unter anderem August Borsig als Ingenieur tätig, bis er sich selbständig machte. Egells besaß eine Villa mit Park am Tegeler See, eine Straße führt noch heute seinen Namen, zudem erinnert der Eisenhammerweg an den Namen seines Werkes in Tegel. In der Tegeler Villa wie im Wohnhaus von Egells bei der Fabrik vor dem Oranienburger Tor gingen Künstler und Schriftsteller ein und aus.

Auch Heyse fand hier gastfreie Aufnahme. Therese Egells heiratete übrigens einen Seidenwarenhändler namens Delaine.
Einer der fünf Söhne Egells ́ war der Kommerzienrat Hermann Egells, an den Cornelius 1849 von Mülheim/Ruhr aus schrieb:
Nun muß ich noch an Carl schreiben, auf das er mir 25 bis 30 Taler zu meiner Equirierung schickt, für einen Notpfennig werde ich Madame Egells oder den alten Esser (die es beide ganz gut können) aufs Korn nehmen, und dann am 20. – frisch nach Paris!“

Ein weiterer Brief von Cornelius an seinen Bruder aus dem Jahre 1851 spiegelt wider, wie seine Tageseinteilung war:
Um 7 Uhr (Freitags) gehe ich dann zu Egells, wo ich zum Nachtessen bis nach 9 Uhr bleibe. Ich erfülle eine notwendige Pflicht der Dankbarkeit dadurch, dass ich mich wöchentlich regelmäßig einmal auf ein paar Stunden da sehen lasse.

Außerdem ziehen mich meine Partiturabschriften nach Hause, die ich in Tegel fleißig betrieben, und mit denen ich bereits drei Bände wertvolle Partituren als Grundstein zu meiner Bibliothek vollendet habe.

Die Angaben zeigen, dass der „Tag in Tegel“ mit einer Anzahl an Inspirationen und Lebensbeziehungen des Dichters und Musikers in Verbindung standen. Damit enden nun auch unsere Betrachtungen, soweit sie Cornelius mit dem einstigen Dörfchen Tegel verknüpften.

Am 5.3.1852 verließ Cornelius die Großstadt, in der er „in hemmender und niedriger Behaglichkeit in den Berliner Winkelverhältnissen“ gelebt hatte. Er zog nach Weimar, hatte eine Empfehlung des alten Cornelius an Franz Liszt (6) und eine von Eichendorff an den einflussreichen Hofrat Schöll in der Tasche. Doch die erste Zeit war für ihn entmutigend.

Liszt hatte ihm geraten, sich ausschließlich mit Kirchenmusik zu beschäftigen. Später besuchte er mit Liszt zusammen Richard Wagner in Basel.

 

Ab Oktober 1855 beschäftigte sich Cornelius mit der Dichtung einer komischen Oper, die er „Der Barbier von Bagdad“ nannte. Den Stoff hierfür fand er in „1001 Nacht“. Liszt zeigte sich hierüber anfangs ablehnend, änderte aber später seine Meinung. Am 15.12.1858 erfolgte in zwei Aufzügen die komische Oper „Der Barbier von Bagdad“ nach dem Text und der Musik von Peter Cornelius im Weimarer Theater. Es folgte ein (inszenierter) Theaterskandal, das Werk wurde ausgepfiffen. An Cornelius lag das nicht. Die Hintergründe aufzuzeigen, würde hier zu weit führen. 

Cornelius verließ Weimar und arbeitete in der Folgezeit an einem zweiten dramatischen Werk, das er „Cid“ nannte. Es wurde am 25.11.1864 mit Ausnahme der Ouvertüre fertig. Im Oktober 1864 erhielt der Künstler von Richard Wagner eine im Auftrag von Ludwig II. ausgesprochene Aufforderung, doch nach München zu kommen. Cornelius zögerte lange, zog dann aber um. Am 21.5.1865 fand hier die Aufführung der Oper „Der Cid“, ein lyrisches Drama in drei Aufzügen statt. Es gab Beifall, doch das Werk hielt sich nicht auf der Bühne.

 
 

Am 14.9.1867 heiratete Cornelius in Mainz Bertha Jung, geb. 20.11.1834, die er schon lange kannte. Eine Tochter und drei Söhne bekam das Ehepaar. In den Jahren von 1865 bis 1874 arbeitete Cornelius insbesondere an einem dritten großen Bühnenwerk, „Gunlöd“, einer Oper in drei Aufzügen. Die Dichtung beendete er bereits im April 1867, doch mit Blick auf andere zwischenzeitliche Arbeiten wollte er (erst) im Herbst 1874 sein Werk vollenden. Dazu kam es nicht mehr. 

Am 26.10.1874 um 22 Uhr verstarb Peter Cornelius in seiner Heimatstadt Mainz an einer damals noch nicht behandelbaren Diabetes-Erkrankung. Carl Hoffbauer, ein junger Freund des kurz vor seinem 50. Lebensjahr Verstorbenen, vollendete das Drama mit viel Geschick.

Soweit unser unvollständiger Rückblick auf das Leben und Schaffen des Peter Cornelius. Er mag anregen, sich weiter mit dem zu beschäftigen, was der Dichter und Musiker hinterlassen hat.

Gerhard Völzmann

(1) Geb. 23.9.1783, verst. 6.3.1867.

(2) Geb. 25.1.1899, verst. 12.4.1858, Kustos der musikalischen Abteilung der Königlichen Bibliothek in der Friedrichstraße, 1849 zum Professor ernannt.

(3) Nach dem Gedichtanfang „Stabat mater dolorosa“, „Es stand die Mutter schmerzerfüllt“. Teil der katholischen Liturgie. Von vielen Komponisten vertont.

(4) Geb. 15.3.1830, verst. 2.4.1914. Ab 1910 von Heyse. (Novellen-) Dichter, Schriftsteller und Dramatiker. 1905 zum 75. Geburtstag von Paul Heyse Benennung einer Straße nach ihm in Prenzlauer Berg.

(5) Später Professor der Geschichte in München.

(6) Seit 1842 Hofkapellmeister im außerordentlichen Dienst.